Rissbildung an Schnittkanten
Die Rissbildung an Schnittkanten ist ein Phänomen, das eng mit wasserstoffbedingten Rissen in Schweißnähten verwandt ist und auftritt, wenn Brennschneidverfahren verwendet werden. Wenn Risse an Schnittkanten auftreten, werden sie zwischen 48 Stunden und mehreren Wochen nach dem Schneiden sichtbar, man spricht daher von verzögerter Rissbildung. Das Risiko nimmt mit der Stahlhärte und der Blechdicke zu. Im Folgenden wird beschrieben, wie das Risiko von Schneidrissen reduziert werden kann.
Der Wasserstoffgehalt und die Eigenspannungen im Blech sollten möglichst niedrig sein. Dies kann durch folgende Maßnahmen erreicht werden:
- Vorwärmen des Bleches.
- Nachträgliches Erwärmen
- Verringerung der Schnittgeschwindigkeit
- Kombination aus Vorwärmen, nachträglichem Erwärmen und Reduzierung der Schnittgeschwindigkeit mit einer langsameren Abkühlung der Wärmeeinflußzone (WEZ)
Vorwärmen
Eine Methode zur Vermeidung von wasserstoffbedingter Rissbildung beim Schneiden ist das Vorwärmen des Materials bzw. schneiden im vorgewärmten Zustand. Dies empfiehlt sich vor allem beim autogenen Brennschneiden und Plasmaschneiden mit Sauerstoff als Plasmagas.
Beim Laserschneiden generell und Plasmaschneiden mit Stickstoff ist ein Vorwärmen aufgrund der nachteiligen Auswirkungen auf die Schnittkantenqualität nicht zu empfehlen.
Je nach Situation können Teile des Bleches oder das gesamte Blech vorgewärmt werden. Das können Sie folgendermaßen machen:
- Wärmeofen
- Vorwärmbrenner
- Elektrische Vorwärmmatten
Das Vorwärmen im Wärmeofen ist die beste Methode, da so eine gleichmäßige Temperatur des gesamten Bleches erreicht wird. Zum Vorwärmen von Hardox® und Strenx® Blechen können auch Vorwärmbrenner verwendet werden, siehe Abb. 3. Wichtig ist, dass die Brenner in Bewegung sind, so dass die Temperatur des Bleches nicht die maximale Vorwärmtemperatur übersteigt. Messen Sie zudem die Vorwärmtemperatur an der gegenüberliegenden Seite von der Stelle, an der das Vorwärmen erfolgt.
Elektrische Vorwärmmatten sind eine langsame Vorwärmmethode. Um das Blech auf 150-200°C zu erwärmen, empfiehlt sich ein Vorwärmen über Nacht, um am folgenden Morgen mit dem Schneiden zu beginnen.
Nachträgliches Erwärmen
Nachträgliches Erwärmen ist eine zuverlässige Methode, um Rissbildung an Schnittkanten zu vermeiden. Dies kann entweder in einem Ofen oder mit Brennern erfolgen. Die einfachste Methode ist die Verwendung von Brennern, weil sie in der Industrie weit verbreitet sind, anders als Öfen. Wichtig ist, das nachträgliche Erwärmen möglichst bald nach Beenden des Schneidens vorzunehmen. Die Zeit zwischen Beginn des Schneidens und Beginn des nachträglichen Erwärmens darf höchstens 30 Minuten betragen. Wichtig ist, das Material nicht zu stark zu erhitzen.
Im Ofen darf die Temperatur nicht die in Tabelle 2 angegebene zulässige Höchsttemperatur übersteigen und das Blech muss im Ofen bleiben, bis es diese Temperatur erreicht hat. Je nach Dicke des Bleches variiert die Zeit, doch als Faustregel sollte die nachträgliche Erwärmungszeit mindestens 5 Minuten pro mm Blechdicke betragen (d. h. 50 Minuten für ein 10 mm dickes Blech).
Bei Verwendung von Brennern (Abb. 4) ist es wichtig, nicht zu überhitzen. Die Temperatur der Schnittkante darf 700°C nicht überschreiten. Normalerweise wird nachträgliches Erwärmen mit Brennern manuell ausgeführt und hierbei ist es wichtig zu wissen, wie die Temperatur kontrolliert wird. Hierfür sehen Sie auf die Farbe der Schnittkante direkt hinter dem Brenner. Diese sollte gerade anfangen zu glühen (sehr dunkles Rot). Wenn die Farbe hell kirschrot oder dunkelorange ist, ist die Temperatur zu hoch und das nachträgliche Erwärmen wird zu keinem Erfolg führen und muss wiederholt werden. Wenn das nachträgliche Erwärmen bei hellem Licht (draußen in der Sonne) erfolgt, ist es schwieriger, die Temperatur zu bestimmen. Führen Sie das nachträgliche Erwärmen also am besten in Innenräumen durch.
Verringerung der Schnittgeschwindigkeit
Wenn die Schnittgeschwindigkeit verringert wird, erwärmt sich das Material an der Schneidfront und die Wärmeeinflusszone wird breiter. Dies beeinflusst die Eigenspannungen so, dass die Gefahr einer Rissbildung an der Schnittkante verringert wird. Denken Sie daran, dass eine Verringerung der Schnittgeschwindigkeit nicht so zuverlässig ist wie Vorwärmen oder nachträgliches Erwärmen. Es sollte nur als Ersatz verwendet werden, etwa wenn es in der Produktion kein geeignetes Equipment zum Vor-oder Nachwärmen gibt.
Tabelle 3 enthält die maximalen Schnittgeschwindigkeiten (mm/min) für autogenes Brennschneiden ohne Vorwärmen.
Langsames Abkühlen
Ungeachtet dessen, ob vorgewärmt wird oder nicht, verringert ein langsames Abkühlen das Risiko der Rissbildung an der Schnittkante. Ein langsames Abkühlen auf Raumtemperatur lässt sich erreichen, indem die Teile im noch warmen Zustand nach dem Schneiden aufgeschichtet und mit einem isolierten Tuch abgedeckt werden.
Schnittgeometrie
Scharfe Ecken wirken wie Kerben, hier treten höhere Spannungen auf, die das Risiko von Rissen an der Schnittkante erhöhen. Dies gilt für alle Schneidverfahren – Thermische und Kaltschneidverfahren wie Abrasiv-Wasserstrahlschneiden. Durch folgende Maßnahmen kann das Risiko verringert werden (Abb. 5):
- Nach Möglichkeit scharfe „nach innengerichtete“ Ecken vermeiden
- Nach Möglichkeit glatte kontinuierliche Geometrien verwenden
- Wenn scharfe Ecken nicht vermieden werden
können, schneiden Sie einen Bogen um die „nach außen weisenden“ Ecken.
- Wenn der Schneidvorgang unterbrochen werden muss (z. B. über Nacht), nehmen Sie einen sauberen Trennschnitt vor, um scharfe Kanten am Reststück zu entfernen